Host Europe gegen Presse- und Meinungsfreiheit

Solidaritätsaufruf an Journalisten zum Pressetarif des Webhosters HOST EUROPE

Host Europe gegen Presse- und MeinungsfreiheitIm August 2006 erhielt ich durch einen freien Mitarbeiter einen Hinweis auf die Abschaltung mehrerer Internetpräsenzen in Deutschland. Diese wurden von einer IT-Sicherheitsberatung betrieben. Unbekannte Täter hackten sich offensichtlich in die Server des betreffenden Webhosters, die HOST EUROPE GmbH. Die Kölner HOST EUROPE GmbH hat alle Internetseiten der besagten IT-Sicherheitsberatungsfirma, die unter verschiedenen Domains publiziert wurden, rigoros abgedreht und durch eigene Werbeschaltungen ersetzt. Und dies ohne Hinweis auf ggf. vorübergehende technische Probleme, sondern einfach vom Netz genommen. Der Betreiber der Webseiten ist zusätzlich offizieller Berater der Organisation „Deutschland sicher im Netz“. Uns wurden sämtliche Daten sowie der Schriftverkehr zwischen dem „Hackeropfer“ und HOST EUROPE zur Verfügung gestellt. Bemerkenswert war der Umstand, daß HOST EUROPE das Hackeropfer laut vorliegenden Schriftverkehr nach der Abschaltung als Verursacher von SPAM bezeichnete (siehe Veröffentlichungen). Unsere Recherchen ergaben ein nicht gerade rühmliches Bild der Qualitäten dieses Konzerns. Noch bevor HOST EUROPE zur Stellungnahme aufgefordert wurde, haben zwei Mitarbeiter (IT-Programmierer im Bereich IT-Sicherheit) an der Analyse der Sachverhalte und Abläufe mitgewirkt und die Schlußfolgerungen bestätigt. Ebenso wurden dem Hackeropfer alle spezifischen Angaben und Schlußfolgerungen vorgelegt und es wurde eine vollinhaltliche Überprüfung unter Hervorhebung seiner wahrheitsgetreuen Angaben vorgenommen.

Der HOST EUROPE wurde dann eine Sachverhaltsdarstellung und die daraus resultierenden Schlußfolgerungen zur Stellungnahme übermittelt. Nachdem die Stellungnahme von HOST EUROPE ausblieb, wurde fernmündlich nachgefaßt. Unmittelbar nach der fernmündlichen Nachfrage wurden die Webseiten überraschend wieder vollständig freigeschaltet. Dem Hackeropfer wurde plötzlich ein Angebot von HOST EUROPE gemacht, daß er einen eigenen Server betreiben könne, ohne einen Aufpreis bezahlen zu müssen (!).

Ich erhielt dann eine Stellungnahme, die gar nicht auf die umfassenden Punkte der Anfrage einging und somit die Oberflächlichkeit der HOST EUROPE neuerlich unter Beweis stellte. Siehe Reportage und die darin enthaltene 1:1-Veröffentlichung sowohl der Anfrage als auch der Stellungnahme.

Mit der eingetroffenen Stellungnahme von der HOST EUROPE GmbH wurde dann die Reportage vervollständigt und unter der Überschrift „Wie HOST EUROPE ein Hackeropfer zum Täter wandelt“ am 16.8.06 veröffentlicht.

Am 13.9.06 erreicht mich die schriftliche Aufforderung der Kanzlei SINZGER & PARTNER bis um 13:00 Uhr die vollständige Reportage zu löschen und schriftlich zu bestätigen, die aufgestellten Behauptungen nicht aufrecht zu erhalten, da die Angaben in der Reportage nicht stimmen würden. Dies lehne ich unter Hinweis auf die vorliegenden Aussagen, Dokumente sowie Beweismittel ab.

Faksimile aus dem Protokoll vom Landgericht PASSAU - GZ: 4.O.880/06 vom Februar 2007Faksimile aus dem Protokoll vom Landgericht PASSAU – GZ: 4.O.880/06 vom Februar 2007

Der Akt umfaßt bereits zwei vollea Aktenordner, dutzende Seiten der Anwälte sind darin archiviert. Das Gerichtsverfahren ist mittlerweile abgeschlossen und zeigt einige interessante Aspekte, wie zum Beispiel, daß bei der Verhandlung am 7.2.07 das Landgericht Passau laut Protokoll unter der AZ: 4.O.880/06 nach dem Sachvortrag schreibt:

Das Gericht regt gleichwohl an, die Klage zurückzunehmen.

Ein bereits durch die HOST EUROPE GmbH gestellter Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung vom September 2006, von dem ich nichts erfuhr, wurde ebenso nach gerichtlicher Überprüfung abgewiesen.

Der gleiche Konzern, der in seiner Stellungnahme ausreichend Möglichkeit gehabt hätte, seine Sichtweise zu den Schlußfolgerungen abzugeben, hat dies unterlassen. Ich als Journalist habe zu einem Sachvortrag der einen Seite dem anderen Beteiligten die Möglichkeit gegeben zu dessen Angaben Stellung zu beziehen. Die HOST EUROPE GmbH hat es jedoch vorgezogen, dem Betroffenen wie er es formulierte, „Drachenfutter“ durch Beistellung eines eigenen Servers anzubieten, um es laut seinen Angaben offensichtlich zu vermeiden, daß ein nicht gerade „erfreulicher“ Sachverhalt an die Öffentlichkeit gelangt, und mir nur wenige Zeilen zu schreiben.

Dieser Konzern bietet aber auf der anderen Seite für Kollegen meiner Zunft Sonderkonditionen an, wenn sie Kunden bei HOST EUROPE werden möchten. Unter http://www.hosteurope.de/presse/Pressetarif findet sich das pauschal-Angebot:

Gegen Vorlage einer Kopie Ihres gültigen Presseausweises sowie des ausgefüllten Journalisten-Vertrags erlassen wir Ihnen die einmalige Einrichtungsgebühr bei allen WebPack® 3.0 Paketen!

Journalistenrabatt bei HOST EUROPE

Ich bin kein Kunde von HOST EUROPE, lasse meine Seiten seit Jahren bei einem anderen Konzern hosten und bin ehrlich gesagt noch nie auf die Idee gekommen, dort nachzufragen, ob ich nicht auch weniger bezahlen könnte, weil ich Journalist bin. Auf der einen Seite bekämpft HOST EUROPE die Presse- und Meinungsfreiheit, und auf der anderen Seite bietet sie Journalisten Sonderkonditionen an.

In diesem Fall erbitte ich im Sinne der Presse- und Meinungsfreiheit Solidarität im Journalismus, und zwar wie folgt:

Nehmen Sie Abstand von der Inanspruchnahme des Angebotes von HOST EUROPE, das mit Sicherheit nicht ohne Eigennutz offeriert wird. Wer uns unterstützen will, wofür sicher mancher dankbar ist, bezeugt dies in allen Bereichen der „Zusammenarbeit“, der Presserabatt von HOST EUROPE in Gegenüberstellung zur Bearbeitung unserer Presseanfrage und den Folgen entbehrt jedoch einer zu erwartenden ehrbaren Gesinnung.

Der Gerichtsfall zu HOST EUROPE und dem damit verbundenen skandalösen Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Passau (Richter HERZOG) und in Folge vor dem OLG München, wurde versucht mit einer Klage am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu entgegnen. HOST EUROPE klagte in 6 Punkten gegen die Reportage, verlor jedoch 5 davon. Ein Gerichtsfall, der in die Jahre ging, endete letztlich mit der Streichung von sage und schreibe 4 (vier) Worten in der mehrere Seiten umfassenden Exklusivreportage.

2007-04-30